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Schon immer Tachles. 70 Jahre Zentralrat der Juden in Deutschland.

Als der Zentralrat der Juden in Deutschland vor 70 Jahren gegründet wurde, handelte es sich zunächst um ein Provisorium. Um „eine Art Hilfsverein, der Menschen dabei unterstützt, in ein anderes Land weiterzuziehen“, so der Zentralratspräsident Josef Schuster.

Nun feiert der Zentralrat am 19. Juli sein 70-jähriges Bestehen und zeigt damit gemeinsam mit den 105 zugehörigen Gemeinden eindrücklich, dass jüdisches Leben in Deutschland nach 1945 entgegen aller Erwartungen bei der Gründung nicht nur provisorisch ist! Angepasst an die aktuelle Corona-Situation finden die Feierlichkeiten überwiegend digital statt, mit einer neuen Podcast-Reihe, Talkrunden und Instagram-Live-Veranstaltungen: https://www.zentralratderjuden.de/

Wir möchten zu diesem wichtigen Jubiläum herzlichst gratulieren und die Gelegenheit nutzen, um auf vier aktuelle Bücher hinzuweisen: Über jüdisches Leben in Deutschland und den Mythos der erfolgreichen „Aufarbeitung“ des Holocaust, über zunehmenden Antisemitismus und den Terror gegen Juden sowie über die ersten Tage des Staates Israel!

Maxim Leo: Wo wir zu Hause sind. Kiepenheuer & Witsch Verlag, 22.00 €

Nach „Haltet euer Herz bereit“ erzählt der Journalist und Autor Maxim Leo in „Wo wir zu Hause sind“ erneut seine packende Familiengeschichte, spannend und ergreifend. Es ist die Geschichte einer jüdischen Familie, die auf der Flucht vor den Nazis in alle Winde zerstreut wurde. Der Autor geht diesen verschiedenen Pfaden nach und sucht den Kontakt mit den Nachfahren der Familie.

Samuel Salzborn: Kollektive Unschuld. Hentrich & Hentrich, 15.00 €

Mit dem Namen ist der Nagel auf den Kopf getroffen. In „Kollektive Unschuld“ dekonstruiert Samuel Salzborn gekonnt eines der zentralen Zerrbilder der Selbstwahrnehmung der Bundesrepublik: die gelungene Aufarbeitung der Geschichte des Nationalsozialismus. Jene ist dem Sozialwissenschaftler Salzborn zufolge vor allem der Wunsch einer liberalen Elite des Landes, hat aber wenig mit den Meinungen und Vorstellungen der Bevölkerung zu tun. Stattdessen seien Schuldumkehr und deutscher Opfermythos damals wie heute allgegenwärtig. Das Buch ist ein kurzer und präziser Essay und ein wichtiger Kontrapunkt zum gegenwärtigen Erinnerungsdiskurs, zu allzu virulenter Selbstgefälligkeit.

Ronen Steinke: Terror gegen Juden. Berlin Verlag, 18.00 €

Mit den Kontinuitäten des (terroristischen) Antisemitismus in Deutschland beschäftigt sich der Journalist, Jurist und Autor Ronen Steinke in seinem neuen Buch. Es ist, wie auch der Untertitel deutlich macht, eine Anklage – gegen diejenigen, die hinter den Angriffen und Diskriminierungen stehen und gegen jene, die wegschauen und ihrer auch staatlichen Verantwortung nicht gerecht werden. Steinke hat für das Buch eine eigene Chronik antisemitischer Gewalt in Deutschland erstellt, dieser letzte Teil umfasst allein über 100 Seiten. Ein durchaus erschreckendes aber gerade deshalb unbedingt notwendiges und lesenswertes Buch!

Arthur Koestler: Mit dem Rücken zur Wand. Israel im Sommer 1948. Elsinor Verlag, 25.00 €

Es ist ein ganz besonderes Buch und durchaus erstaunlich, dass der Augenzeugenbericht Arthur Koestlers aus dem nur wenige Tage alten Israel nun erstmals auf Deutsch erschienen ist. Dabei ist die Dokumentation der Entstehungszeit des jüdischen Staates auf dem vormals britischen Mandatsgebiet Palästina nicht nur aufgrund der eindrucksvollen Sprache Koestlers so lesenswert, sondern auch als einmaliger Zeitzeugenbericht eines der damals prominentesten Journalisten und Kriegsberichterstatter. Sein Roman ‚Sonnenfinsternis‘ wurde weltberühmt, 2015 wurde das Originalmanuskript gefunden und 2018 neu veröffentlicht. Es bleibt zu hoffen, dass „Mit dem Rücken zur Wand“ eine ähnliche Aufmerksamkeit zuteilwird.